vom 24.02.2012 00:00
Die Planung der neuen 380-Kilovolt-Leitung durch Ostholstein liegt
auf Eis. Damit fehlt eine wichtige Verbindung, um mehr Windräder
anzuschließen.
Eutin – Keine vier Monate ist es her, da konnte es Netzbetreiber Tennet
mit dem Bau der neuen 380-Kilovolt- Stromleitung quer durch Ostholstein
gar nicht schnell genug gehen. Mit dem neuen Beschleunigungsgesetz zum
Netzausbau im Rücken wurde bei vorgezogenen Bürgerbeteiligungen
ordentlich Dampf gemacht. Bereits in diesem Jahr wollte der staatseigene
Stromkonzern aus Belgien das Planfeststellungverfahren eröffnen. Doch
aus dem Projekt ist die Luft raus. Frühestens 2015 sollen die Planungen
beginnen, eine Fertigstellung der etwa 80 Kilometer langen Leitung sei
nicht vor 2020 zu erwarten, heißt es aus dem Kreishaus.
Das könnte dramatische Folgen für den Windstrom haben. Denn schon jetzt müssen bei
bestem Wind immer wieder Windräder abgeschaltet werden, weil die
vorhandenen Leitungen an den Belastungsgrenzen angelangt sind, die Kabel
sprichwörtlich „glühen“. Und in den nächsten Jahren könnten hunderte
Windräder dazukommen. Der Regionalplan des Landes steht vor der
Verabschiedung, und viele Gemeinden basteln bereits fleißig an
Bebauungsplänen.
„Die Tennet macht bei den Planungen jetzt erst
einmal drei Jahre Pause“, sagte Kreisplaner Horst Weppler. Die
Planungskapazitäten fehlten, weil sie auf andere Bereiche verschoben
seien. Während die so genannte Osttrasse nur die „Priorität 3“ habe,
genieße eine von Hamburg in Richtung Süden vorgesehene Trasse oberste
Priorität und auch die schleswig-holsteinische Westtrasse sei als
wichtiger eingestuft worden. Ziel der Prioritätenliste sei, „dort zuerst
etwas zu machen, wo schnell etwas erreicht werde“. Und das ist bei der
Leitung von Lübeck über Göhl nach Kiel offensichtlich nicht der Fall.
„Das ist doch ein Schildbürgerstreich, wenn im Regionalplan Flächen
ausgewiesen werden, aber die Leitungen nicht fertig sind“, wetterte
Peter Baldus (SPD) im Planungs- und Wirtschaftsausschuss. Landrat
Reinhard Sager (CDU) wunderte sich hingegen angesichts früherer
Bekundungen über die Kritik einiger Politiker. „Wir haben hier ja auch
nicht gerade nach der 380-kV-Leitung geschrien“, sagte der Landrat.
Allerdings wird der Strom auch nicht direkt in das Höchstspannungsnetz von
380-Kilovolt eingespeist, sondern zunächst über das Mittelspannungs- und
Hochspannungsnetz transportiert. Daran sind 2011 nach E.on- Angaben im
Land 10 000 neue Windkraft-, Photovoltaik- und Biomasse-Anlagen
angeschlossen worden. Damit stieg die Zahl der Anlagen insgesamt auf 30
000. „Etwa 80 Prozent der Anlagen im Land werden über
20-Kilovolt-Leitungen erschlossen, der Rest über 110-kV-Trassen der
Schleswig-Holstein Netz AG“, sagt E.on-Sprecher Ove Struck.
Wenn jedoch das Höchstspannungsnetz als Stromautobahn nicht vorhanden sei,
nützten auch diese Auffahrten nichts, so Struck. Über das
Einspeisemanagement werde dann geregelt, welche Anlagen abgeschaltet
werden müssen. Je nach Stromaufkommen und Kapazität würden 40, 70 oder
100 Prozent der Anlagen eines Windparks ausgeschaltet. Besonders
betroffen davon waren zuletzt in Ostholstein die Anlagen auf Fehmarn.
Angesichts von 1000 Hektar vorgesehener Windkrafteignungsflächen im
Kreis und geplanter Repowering-Projekte dürfte die Ausfallquote künftig
weiter steigen.
Die Zeche werden die Stromverbraucher zahlen müssen. Die Betreiber der Anlagen werden für einen netzbedingten Ausfall entschädigt. Geld, dass am Ende wieder über die Ökostromabgabe auf die Verbraucher umgelegt wird – und dadurch steigt der Strompreis weiter.